2015
ALP-Tagung 2015, 3. März 2015 an der Universität Leipzig
Angemessenheit – Pragmatische Perspektiven auf ein linguistisches Bewertungskriterium
Sprachkritik entwickelt sich zunehmend zu einem „Hot Topic“ innerhalb der Linguistik. Reflektiert werden dabei sowohl Positionen von linguistisch ausgebildeten SprachkritikerInnen als auch von SprecherInnen ohne linguistischen Wissenshintergrund. Die Letztgenannten werden in diesem Sinne als Laien verstanden und ihre sprachkritischen Anmerkungen werden in der Forschung häufig unter dem Begriff der „Laiensprachkritik“ zusammengefasst. Für die deutschsprachige Sprachkritik gilt mittlerweile als erwiesen, dass sich die prototypisch vertretenen Positionen dieser beiden Gruppen grundsätzlich unterscheiden. Zentrales Kriterium einer linguistisch basierten sprachkritischen Analyse bildet die pragmatische Angemessenheit, die als ein Kontinuum aufgefasst wird und die intuitive, binäre Sprachbewertung in „richtig“ oder „falsch“ ersetzen soll. Innerhalb der linguistischen Sprachkritik werden Stimmen lauter, die fordern, Angemessenheit als ein komplexes, kontextsensitives Beschreibungskriterium auch im Bildungsbereich (Schule, Hochschule) zu etablieren.
In Kontrast zu diesem Plädoyer für konkrete Anwendung steht die bislang erst ansatzweise erfolgte theoretisch-methodische Fundierung dieser Kategorie. Zumeist wird Angemessenheit schlicht mit kontextueller Adäquatheit umschrieben, womit diese Kategorie nur unzureichend erläutert ist. Die historische Fundierung des Angemessenheitsbegriffs (als rhetorisches Regulativ: aptum) kann für die weitere Forschung ebenso ertragreich sein wie die Untersuchung von Angemessenheit als TeilnehmerInnenkategorie in Interaktionen. Interaktionale Aushandlungen von Angemessenheit und die Zurückweisung von Handlungen, die als unangemessen angesehen werden, erlauben uns Einsichten in Normen und zeigen das funktionale Potenzial eines angemessenen Sprachgebrauchs als rhetorische Strategie auf. Wir sehen die Notwendigkeit, das Konzept der Angemessenheit multiperspektivisch zu beleuchten und auf dieser Grundlage zu konturieren.
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