2020

Universität Hamburg, 3. März 2020

Digitale Pragmatik

Die Digitalisierung betrifft auch die linguistische Pragmatik. Zum einen lassen sich in den digitalen Medien vielfältige Sprachgebrauchsphänomene beobachten, die mit den einschlägigen pragmatischen Konzepten theoretisch modelliert und empirisch untersucht werden können (Yus 2011, Herring/Stein/Virtanen 2013, Marx/Weidacher 2014; Hoffmann/Bublitz 2017). Zum anderen finden digitale Forschungsmethoden zunehmend auch in pragmatischen Forschungskontexten Anwendung, etwa korpuslinguistische Zugriffe im Rahmen der Korpuspragmatik (Felder/Müller/Vogel 2011; Aijmer/Rühlemann 2014; Müller 2015) oder Verfahren der digitalen Annotation (Weisser 2018; s.a. die Arbeit der Text Encoding Initiative (TEI), https://tei-c.org). Die Gründung entsprechend ausgerichteter Publikationsforen wie das Journal of Internet Pragmatics (2018ff.) und Corpus Pragmatics (2017ff.) bestätigt diesen Trend auch auf internationaler Ebene.

Die Hinwendung der linguistischen Pragmatik zu digitalen Gegenständen und digitalen Methoden konturiert die pragmatische Theorie und Methodologie dabei in vielerlei Hinsicht neu. Die in klassischen pragmatischen Forschungen oft auf mündlich-kopräsente Interaktion zugeschnittenen Konzepte (man denke etwa an Bühlers Deixis ad oculos oder Searles Sprechakte) müssen angesichts der quasi-synchronen, translokalen und oft auch teilanonymen Kommunikationskontexte modifiziert werden. Die datengeleitete Erhebung von Sprachgebrauchsmustern in großen Korpora rückt Einheiten in den Blick, die in manuellen Analysen womöglich unbemerkt bleiben, und macht sie funktionalen Deutungen zugänglich (Bubenhofer 2009). Auch neue Formen der digitalen Schriftlichkeit in multimodalen Kontexten sind unter pragmatischen Gesichtspunkten ausgedeutet worden (vgl. Androutsopoulos 2010, 2007; Bülow/Merten/
Johann 2018). Schließlich gehen mit der nahezu unbegrenzten Zugänglichkeit teils höchstpersönlicher Sprachdaten im WWW auch neue Herausforderungen in forschungsethischer Hinsicht einher (Marx 2019).

Auf der Jahrestagung 2020 der Arbeitsgemeinschaft Linguistische Pragmatik e.V. sollen aktuelle Tendenzen und Herausforderungen der Digitalen Pragmatik diskutiert werden, wobei beide Perspektiven auf digitale Gegenstände einerseits und digitale Methoden andererseits gleichermaßen Berücksichtigung finden.

Besonders erwünscht sind Beiträge, welche die konkrete empirische Arbeit im Bereich der Digitalen Pragmatik – von der Datenerhebung und -aufbereitung über die Analyse bis hin zur Präsentation von Ergebnissen – vorführen und zugleich auch methodologisch reflektieren: Welche theoretischen Vorannahmen gehen in die Analyse ein, wie verhalten sie sich zu etablierten Konzepten der Pragmatik? Wie bedingen die gewählten Analysemethoden den Zuschnitt des Untersuchungsgegenstandes (etwa die weitgehende Ausblendung multimodaler Aspekte in korpuslinguistischen Zugriffen)? Welche forschungsethischen Probleme stellen sich und welche Lösungen sind wünschenswert und praktikabel? Ebenfalls erwünscht sind Beiträge, welche die Anwendungsbezüge der Digitalen Pragmatik, insbesondere im Bereich der Didaktik thematisieren, sei es in Sprachlehrkontexten oder im erweiterten Kontext der Vermittlung von Medienkompetenz.

Tagungsprogramm als pdf

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